Mundhygiene ist für Kinder in Nepal ein Fremdwort

Entwicklungshilfe: Bad Bentheimer Zahnärztin baut „Dental Camp“ auf und zieht in einer Woche über 1000 Zähne

Von Susanna Austrup - Brütende Hitze, über 35 Grad Celsius, hunderte von Menschen warten geduldig in der Schlange. Dr. Elke van Engelen und ihrem Mann steht der Schweiß auf der Stirn, ihre Kleidung ist durchgeschwitzt. „So war das die ganze Zeit. Wir waren ständig pitschenass und haben versucht, gar nicht darüber nachzudenken, sondern zu arbeiten“, erzählt die Zahnärztin. Sie schaut ihren Mann Huib an. Der nickt. „Wir haben den ganzen Tag gearbeitet und uns unsere Pause von höchstens 20 Minuten hart erkämpft“, bestätigt der Physiotherapeut. Wenn die Instrumente im Sterilisator waren, konnten die Zahnärztin aus Bad Bentheim und ihr Mann kurz verschnaufen. Danach ging es sofort weiter, in dem Dental Camp in der Region Sarlahi in Nepal.

Dr. Elke van Engelen und ihr Mann Huib engagieren sich für den Bad Bentheimer Verein „Zukunft entwickeln“, der soziale Projekte in Indien und Nepal unterstützt. Angegliedert an dessen Schulprojekt Sarlahi in Nepal haben sie im September mit Hilfe der nepalesischen Organisation „Hoste Hainse“, die sich um bedürftige Kinder kümmert, ein Dental Camp (eine mobile Zahnarztpraxis) aufgebaut. Unter einfachsten Bedingungen haben sie hier in einer Woche rund 1300 Menschen – wobei die Versorgung der Schulkinder im Vordergrund stand – zahnärztlich versorgt. „Dabei sind wir bis an unsere Grenzen gestoßen“, sagt Elke van Engelen.

Warum setzen die beiden sich diesem Stress aus, opfern dafür sogar ihren Urlaub? „Das ist schwer zu sagen“, antwortet die Zahnärztin nachdenklich. „Wir waren das erste Mal vor vier Jahren in Nepal. Schon bei der Landung, als ich in Katmandu aus dem Flugzeug ausgestiegen bin, hatte ich wieder diesen Geruch in der Nase. Das war genauso wie damals. Da habe ich gleich gedacht: Hilfe, wer holt uns hier wieder raus?“, erzählt van Engelen weiter. Wieder zu Hause wurde sie von Patienten in ihrer Nordhorner Praxis gefragt, ob ihr Urlaub schön gewesen sei. „Urlaub? Schön?“, habe sie da nur kopfschüttelnd gefragt und erwidert: „Das war kein Urlaub und es war auch nicht schön.“ Elke van Engelen geht in sich. „Was ist daran nachhaltig, wenn wir tausende von Zähnen ziehen? Das habe ich mich hier zu Hause immer wieder gefragt.“ Und doch haben sie und ihr Mann sich mit dem Satz „Bis zum nächsten Mal“ verabschiedet. „Man kann nicht einfach ‚Tschüss‘ sagen und verschwinden“, begründet Elke van Engelen. „Wir sind mit den Menschen eine Verbindung eingegangen. Diese Verbindung ist wie eine Verpflichtung. Wir können diese Menschen nicht einfach im Stich lassen. Unser Ziel ist es, dauerhaft dort ein Gesundheitscamp aufzubauen“, hat sich das Ehepaar zum Ziel gesetzt. „Wir schenken den Menschen Hoffnung. Für sie in ihrer ärmlichen Situation ist es besonders wichtig zu wissen, dass sie nicht vergessen werden,“ machen die beiden ihre Haltung klar.

Beim Erzählen ist Elke van Engelen anzumerken, wie tief sie das Erlebte noch im Nachhinein berührt. Immer wieder schaut sie ihren Mann Huib an, manchmal nimmt er ihre Hand. Beide haben sich voller Elan in diese Aktion gestürzt. Grenzwertig waren dabei nicht nur die Strapazen, sondern auch die Umstände: der Dreck, die Armut, fehlendes Material, was durch Improvisation wieder wettgemacht wurde oder einfach nur die schlechten Straßen, die aus einem relativ kurzen Weg eine lange Fahrt werden ließen. Eine erst Aktion nach der Ankunft war beispielsweise, die Unterkunft aufzupeppen und in einigermaßen hygienische Verhältnisse zu bringen. So organisierten Elke und Huib van Engelen am ersten Tag noch vorm Frühstück neue Matratzen und Bettzeug. Die nächste Überraschung boten dann die leeren Kartons, die eigentlich Arbeitsmaterialien beinhalten sollten. „Irgendwie hatten wir innerlich schon damit gerechnet“, sagt Elke van Engelen. Also mussten die Deutsche und der Niederländer sich auch hier etwas einfallen lassen. Einiges an Material hatten die beiden schon aus Deutschland mitgebracht. Den Rest versuchten sie in Katmandu aufzutreiben.

Huib van Engelen startet sein Notebook. Er hat in der Einsatzwoche viel fotografiert. Zig Kinder sitzen wie die Ölsardinen in einem Klassenraum. Ihre Gesichter wirken fröhlich, manche winken in die Kamera. „Die größeren Kinder werden drinnen unterrichtet, die kleineren verteilen sich auf dem Schulhof und rund um das Schulgebäude. Jedes bisschen Platz wird genutzt“, erklärt Huib van Engelen. Ein nächstes Bild zeigt einige Mädchen über Schulbücher gebeugt, ein weiteres Sohn Bram, der durch das Engagement seiner Eltern infiziert, in einer Übergangsphase drei Monate freie Zeit nutzte, um den Schulkindern in Sarlahi im Sommer Englischunterricht zu erteilen. Beeindruckend sind die Aufnahmen, die Elke van Engelen in Aktion zeigen. Die Zahnärztin steht dicht umringt von Kindern und Erwachsenen mit einem Modellgebiss in der Hand. Sie demonstriert, wie wir es hier vom Schulzahnarzt kennen, das richtige Zähneputzen. Gebannt schauen die Menschen zu. Nächstes Bild: Zwei Mädchen mit strahlenden Augen beim ersten Versuch mit der Zahnbürste. „Viele Menschen dort wissen gar nicht, was eine Zahnbürste, geschweige denn Mundhygiene ist, 70 Prozent aller Schulkinder haben Probleme damit. In Deutschland versammeln 20 Prozent der Kinder 80 Prozent der Probleme“, wirft Huib van Engelen ein. Dementsprechend viele Kinder mit Karies und Schmerzen hat Elke van Engelen behandelt. War sie damit fertig, kümmerte sie sich um die Erwachsenen. Unterstützt wurden van Engelens von Anjanaa, Bijito Mandal Lama, Milan Joshi, Jandeep Biswah und Nissen Dagol von der Organisation „Hoste Hainse“.

Es ist kaum möglich, die Woche im Detail wiederzugeben. Es waren zu viele Eindrücke. „Bei jedem Erzählen fallen uns neue Geschichten ein“, sagt Elke van Engelen. Auch die Geschichten seien nachhaltig. Nach dem praktischen Einsatz mit den vielen Untersuchungen und Behandlungen reflektierte das Paar den Verlauf anschließend mit Vertretern von „Hoste Hainse“. Die wichtigste Frage: Wie soll es weitergehen? „Die Kinder sollen auf jeden Fall weiter beschult werden. Dann müssten bessere Lebensgrundlagen geschaffen werden, mit einer stabilen Wasser- und Strom- und auf Dauer auch einer medizinischen Versorgung“, überlegt Elke van Engelen und glaubt, dass in einem ersten Schritt ein Solarprojekt für die Region Sarlahi sinnvoll sei. „Das Leben dort spielt sich sehr an der Basis ab. Die Menschen können Unterstützung gut brauchen“, fügt sie hinzu. Wer helfen möchte, kann spenden und zwar an den Verein „Zukunft entwickeln e. V.“, Sparkasse Nordhorn, Bankleitzahl: 26750001, Konto: 5023353, Verwendungszweck: Gesundheitsförderung Sarlahi.

Weitere Informationen unter www.zukunft-entwickeln.de und www.zahnarztpraxis-van-engelen.de.