Rundschreiben September 2003


Liebe Freunde und Förderer unseres Vereines,

seit nunmehr fast 3 Jahren sind wir mit unseren Projekten aktiv. In den Zeitungen wurde von Zeit zu Zeit über die Fortschritte berichtet, und wir haben im Internet unter der Adresse: www.zukunft-entwickeln.de eine umfangreichte Dokumentation über unsere Arbeit eingerichtet.

Viele unserer Spender/Spenderinnen sind von Bekannten auf uns aufmerksam gemacht worden und haben sich spontan entschlossen zu helfen. Wer noch keinen Internet-Anschluß hat, konnte sich bisher nicht aktuell über unsere Arbeit informieren. Das soll jetzt anders werden! Wir sind nur ein sehr kleiner Verein mit wenigen ehrenamtlichen Helfern, aber wir wollen in der Zukunft zumindest einmal jährlich Bericht erstatten.

Zunächst einmal wollen wir die Gelegenheit wahrnehmen, und uns bei allen Spendern und Spenderinnen herzlich bedanken. Sehr viele sind schon von Anfang an dabei, und haben diesen Erfolg erst möglich gemacht! Die Spendenverwendung läuft planmäßig – auch das Finanzamt Bad Bentheim hat bei der ersten Überprüfung keinerlei Mängel festgestellt. Die steuerliche Anerkennung wurde problemlos bis zur nächsten Prüfung – in 3 Jahren - verlängert.

Doch nun möchten wir über unsere Projekte berichten:

Das bekannteste Projekt ist sicherlich das „Sarlahi-Schulprojekt“ in Nepal. In 4 Ortschaften des Sarlahi-Bezirkes im Süden von Nepal werden Schulen unterhalten. Der Besuch der Schulen ist für die Kinder kostenlos. Alle Kosten für Bücher, Arbeitsmaterialien, Prüfungsgebühren, Gehälter, Einrichtungsgegenstände und Gebäudeinstandsetzungen werden von uns bezahlt. Die Bevölkerung hilft durch Arbeitsleistung bei der Instandhaltung der Gebäude.
Nach dem Stand vom Juni 2003 hatten wir folgende Schülerzahlen:

Dhangada Village257 Schüler/innenKlasse 1 - 4 
Siripur Village125 Schüler/innenKlasse 1 - 4 
Padariya Village194 Schüler/innenKlasse 1 - 4 
Sahorba Village134 Schüler/innenKlasse 1 - 4insgesamt 710 Schüler/Schülerinnen


Unsere Projektpartner aus Nepal berichten von dankbaren Eltern, die sonst nie die Möglichkeit hätten, ihre Kinder zur Schule zu schicken. Ein einziges Schulbuch kostet normalerweise 200 Rupees – bei einem Monatsverdienst des Vaters von 350 Rupees ( ca. 5 Euro) nicht zu finanzieren. Fast immer ist das Kind dann die einzige Person in der Familie, die lesen, schreiben und rechnen kann. Von der britischen Regierung – (über den Botschafter in Katmandu) erhielten unsere Projektpartner 1.500 Euro für die Herstellung eines eigenen Sachkundebuches für die 3. Klasse. Es wird inzwischen in all unseren Schulen eingesetzt.
Im vergangenen Jahr gab es nicht nur in Deutschland eine Riesenflut. Auch in Nepal fielen die Monsunfälle außergewöhnlich stark aus. 75 % der Bevölkerung unseres Sarlahi Bezirkes wurden obdachlos. Aufgrund der rechtzeitigen Instandsetzung unserer Schulen mit Hilfe der Einheimischen, überstanden unsere Gebäude den Monsunsturm schadenfrei. Öffentliche Schulen wurden teilweise in Mitleidenschaft gezogen, und sind heute noch nicht wieder eröffnet! Bei uns ruhte der Unterricht lediglich 14 Tage, hauptsächlich wegen der Unpassierbarkeit der Straßen - aber auch, um die Kinder für die Mitarbeit beim Wiederaufbau ihrer Hütten freizustellen.

Das Kostenvolumen unseres Schulprojektes hat inzwischen jährlich 15.000 Euro erreicht. Durch die inzwischen bei uns eingegangenen Kinderpatenschaften erhalten wir ca. 7.500 Euro jährlich. Ungefähr 3- 4.000 Euro werden jährlich direkt in Nepal an Spenden gesammelt. Der Rest muß im Rahmen unseres gesamten Spendenaufkommens aufgebracht werden. Aber wir sind zuversichtlich, auch für das kommende Jahr wieder genug Spenden zu erhalten.



Unser zweites Vereinsprojekt ist das „Village – Projekt“ in Indien.
Die Kinderarbeit ist eines der am häufigsten verletzten Menschenrechte. Obwohl der Missbrauch der Kinderrechte allgemein verurteilt wird, werden Kinder in der Praxis weiterhin ausgebeutet. Die indischen Menschenrechtsorganisationen SACCS (South Asian Coalition on Child Servitude) und BBA (Bachpan Bachao Andolan) sehen darin einen Teufelskreis aus Analphabetentum, Arbeitslosigkeit von Erwachsenen, Kinderarbeit und Armut, die alle miteinander zusammenhängen. Dieser Kreislauf könnte durchbrochen werden durch eine neue Initiative dieser Menschenrechtsorganisationen: Errichtung von „Child Friendly Villages“ (Bal Mitra Gam / Kinderfreundlichen Dörfern) überall in Indien und auf der ganzen Welt. So könnte das System der illegalen Kinderarbeit an der Wurzel ausgerottet werden.
In 80 Dörfern in Indien laufen diese Projekte bereits erfolgreich.

„Unser“ Dorf heißt „Kuhara“ und liegt in Rajasthan – ca. 80 km von Jaipur.
Ein typisches indisches Dorf: 1.273 Einwohner

Kinder unter 14 Jahren:611  (Jungen: 324, Mädchen: 287)
Schulkinder:439  (Jungen: 251, Mädchen: 188)
Keine Schule besuchen:35 
Kinder unter 5 Jahren:85 
Kinderarbeiter (6 – 14 Jahre):52 


Der Ansatz zur Veränderung liegt auch hier in der Bildung. Sozialarbeiter der Menschenrechtsorganisationen leben für 3 Jahre in dem Dorf und gestalten die Verhältnisse dort durch ständige Überzeugungsarbeit um:
Sämtliche Kinder sollen die Schule besuchen. Alle Kinderarbeitsverhältnisse werden gekündigt, die Arbeitsplätze mit Erwachsenen (Arbeitslosen) besetzt. Die Verantwortlichkeit für die Schule – Einrichtung und Lehrerangebot – wird gestärkt. Die staatlichen Hilfen für den Bildungssektor sollen auch zweckgebunden ausgegeben werden. Vielfach wird das Geld von den Reicheren zweckentfremdet eingesetzt. Letztendlich sollen sich normale demokratische Verhältnisse – (Gewaltentrennung) durchsetzen. Da Indien eine demokratische Verfassung hat, sind die Möglichkeiten dazu gegeben, allerdings sind Widerstände aufgrund traditioneller Gegebenheiten durch ständige Überzeugungsarbeit abzubauen.
Die Aufwendungen für dieses Projekt (Zeitraum ca. 3 Jahre) betragen jährlich ca. 1.500 Euro für die Gehälter und Aufwandsersatz der Sozialarbeiter.
Das Projekt „Kuhara“ wurde von uns 2002 gestartet. Die Kosten des ersten Jahres sind bereits überwiesen.

Weitere Aktivitäten wurden im Zusammenhang mit „Öffentlichkeitsarbeit“ durchgeführt. Was nützen alle Anstrengungen im Ausland, wenn die globalen Zusammenhänge und Verantwortlichkeiten nicht bei uns der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden?
- Wer weiß schon, dass Fußbälle, mit denen unsere Kinder spielen, von Kindern in Sialkot (Pakistan) hergestellt werden?
- wer weiß schon, dass Teppiche, die unsere Wohnzimmer verschönern, von Kindern in erbärmlicher Leibeigenschaft geknüpft werden.?
Weitere Beispiele gibt es zuhauf. Damit die mündigen Bürger hierzulande informiert sind, und nach ihrem Gewissen handeln können, sind gut recherchierte Artikel und Berichte nötig. Im Jahre 2002 haben wir uns auf folgende Schwerpunkte konzentriert:

- Fußballkampagne
- 0,1 % Aktion

Zur Fußballweltmeisterschaft wurde die Kinderarbeit in der Sportindustrie (Fußbälle, Sportkleidung etc.) durch Globalmarch international (Delhi/Indien) angeprangert. Weltweit unterzeichneten über 50 Millionen Menschen eine entsprechende Petition an die Fifa. Der Beitrag aus Deutschland war (leider) verschwindend gering.

Oberkreisdirektor Brüggemann startete die Unterschriftenaktion zur 0,1 % Aktion mit seiner Unterschrift. Über 5.000 weitere Unterschriften sollten in den nächsten Wochen und Monaten folgen. Die Aktion, gestartet von Globalmarch international (Delhi/Indien), mit der an die festgelegte Mindesthöhe von 0,7 % des Bruttosozialproduktes – wenigstens aber 0,1 % des BSP für die Kinder – erinnert werden sollte, schlug in der Grafschaft hohe Wellen. Viele Schulklassen, Kirchengemeinden, die Grafschafter-Eine-Welt-Tage und engagierte Bürger/Bürgerinnen sammelten innerhalb nur einiger Wochen die unglaubliche Zahl von 5.000 Unterschriften ein. Allen Beteiligten sei an dieser Stelle noch einmal für das große Engagement gedankt!

Genau rechtzeitig zum Beginn des UN-Sondergipfeltreffens in New York im Mai 2002 wurden diese Unterschriften von 4 Grafschafter Schülern im Entwicklungsministerium in Berlin übergeben, um unseren Politikern in Berlin zu zeigen, dass die Bevölkerung eine entsprechende Beschlussfassung unterstützen würde. Die altbekannte UN Forderung erhielt dadurch entsprechend Rückenwind. Inzwischen erhielten wir ganz offiziell vom Bundesministerium die Nachricht, dass die Entwicklungshilfe in den nächsten Jahren aufgestockt werden würde. Wir sind natürlich gespannt, ob dieser Ankündigung auch Taten folgen werden...

Natürlich gäbe es noch viel mehr zu berichten, aber wir wollten den Umfang dieses Rundschreibens nicht zu stark aufblähen. Wer Fragen oder Anregungen hat, kann sich gerne bei uns melden. Wir freuen uns über jeden Kontakt! Sofern Sie aus unserer Adress-Liste gestrichen werden möchten, bitten wir um kurze Nachricht. Sie erhalten dann zukünftig keine Info-Schreiben mehr von uns.

Zukunft entwickeln... e.V., Kirchstr. 5, 48455 Bad Bentheim
oder per E-Mail: info@zukunft-entwickeln.de

Zum Schluß möchten wir dieses Rundschreiben noch für eine Information nutzen, die wir von Menschenrechtsorganisationen in Indien und den Niederlanden erhalten haben:

Kinderarbeit im indischen Saatgut Anbau
Bayer, Monsanto und Unilever in der Kritik


Es geht um den Einsatz von Kinderarbeitern in der Saatgutindustrie Indiens. Insbesondere Mädchen von 6 – 14 Jahren werden zu tausenden eingesetzt, um Baumwollsaaten zu veredeln. Diese Baumwollsaaten sind, wenn sie erst beim „Endverbraucher“, dem Baumwollpflanzer in großen Monokulturen eingesetzt werden, viel ertragreicher als die natürlichen Saaten – müssen aber mühsam und arbeitsaufwendig per Hand bestäubt werden, und sind auch nicht selbst vermehrungsfähig. Sie müssen also immer wieder neu vom Baumwollpflanzer gekauft werden. (sog. Hybridpflanzen)
5 große Industriekonzerne Monsanto, Unilever, Advanta, Syngenta und Bayer teilen sich den Markt auf: Die Saatgutbauern erhalten über sie entsprechendes Saatgut zum Anbau. Der ganze Produktionsprozess bis zur Reife des neuen Saatgutes wird dabei immer wieder kontrolliert. Zum Schluß erhalten diese Bauern von den Saatgutfirmen einen vorher festgelegten Preis je abgeliefertem Saatgutpäckchen.
Obwohl die 5 Firmen die Kinderarbeit in ihren Verträgen ausschließen, haben die Farmer aus Kostengründen oft keine andere Wahl, als doch Kinder einzusetzen. Die großen Konzerne schieben die Verantwortung den einzelnen Saatgutfarmern zu, da schließlich vertraglich „Kinderarbeit ausgeschlossen sei“. Die Farmer ihrerseits bemängeln die zu niedrigen Preise, die es unmöglich machen, Erwachsene zu beschäftigen.

Es ist in dieser Branche üblich, über Vorschüsse, die an die Eltern gezahlt werden, die Arbeit der kleinen Kinder auf Jahre im Voraus „einzukaufen“. Der „Verdienst“ für eine 12-stunden Schicht beläuft sich dann auf etwa 50 Euro-Cent. Ein Teufelskreis für die arme Landbevölkerung.

Dass dabei die Kinder unverhältnismäßig hoch mit Schädlingsbekämpfungsmitteln in Berührung kommen, ist nur ein Aspekt dieser „Leibeigenschaft“. Sie gehen aufgrund der Verpflichtung ihrer Eltern auch nicht zur Schule und bleiben Analphabeten. Auch der hohe Anteil von Mädchen ist erklärlich: Bei Jungen erkennen die Eltern eventuell noch den Wert der Bildung, die gesellschaftliche Stellung der Mädchen ist jedoch sehr gering. Daher werden die Unwissenheit der Eltern und die traditionellen Werte der Gesellschaft gezielt ausgenutzt.
Es ist wissenschaftlich hinlänglich erwiesen, dass gerade mit dem Bildungsstand der Mädchen und Frauen eine neue Denkweise und Verantwortlichkeit in die Familien getragen wird. So sinken mit steigendem Bildungsniveau überall auch die Geburtenraten. Das verfügbare Einkommen der Familien steigt langsam, die ganze Situation der armen Bevölkerung verbessert sich zusehens. Überall dort, wo jedoch der Bildungsstand der Frauen niedrig ist, grassieren hohe Kinderzahl, Arbeitslosigkeit der Erwachsenen verbunden mit hoher Kinderarbeit und Leibeigenschaft.

Rainer Kruse von der deutschen Sektion des Global March Against Child Labour : "Das Beispiel macht sehr deutlich, dass Kinderarbeit, weil sie so billig zu haben ist, den Erwachsenen die Arbeitplätze nimmt. Der deutsche Bayer-Konzern könnte eine Vorreiterrolle bei der Befreiung der Kinder aus der Fron übernehmen, indem er den Farmern angemessene Abnahmepreise zahlt - geknüpft an die Bedingung, unverzüglich Erwachsene auf Mindestlohnbasis einzustellen. Der beachtliche Erfolg bei der Bekämpfung der Kinderarbeit in der Teppichindustrie durch die Einführung des Warenzeichens „Rugmark“ zeigt, dass Bayer die Leiden der Kinder in seinem Bereich beenden könnte."

Konfrontiert mit diesen Anschuldigungen betonte Bayer-Sprecher Lemken auf Anfrage von „ecoreporter.de“, dass der Konzern Kinderarbeit grundsätzlich ablehnt. Weder direkt noch indirekt bei Partnern dürften Kinder beschäftigt werden. Das sei auch in den Kontrakten mit Zulieferern wie den indischen Saatgutlieferanten festgehalten. Allerdings räumte er ein, dass bei den in der Studie behandelten Unternehmen strengere Kontrollen durchgeführt werden müssten.
Wir sind allerdings der Meinung, dass diese nicht weiter spezifizierten Maßnahmen auf keinen Fall ausreichen. Bayer ist ein Teil der Lösung dieses Problems. Wir fordern Bayer auf, zusammen mit den indischen Menschenrechtlern der Verantwortung für die tausenden von Kinderarbeitern gerecht zu werden. Für den großen Bayer – Konzern wäre es ein Leichtes über eine gerechte Preisgestaltung verbunden mit strengen Kontrollen diese Missstände innerhalb kürzester Zeit zu beseitigen. Schließlich gibt es tausende von arbeitslosen Erwachsenen, die die Arbeit der Kinder sofort übernehmen könnten.

Wir bleiben „dran“ und werden in unserem nächsten Rundschreiben über die Entwicklung berichten. Wer sich inzwischen informieren möchte – hier sind die entsprechenden Internet – Adressen:

Indianet.nl
CBGnetwork.org
ECOreporter.de

Unter unserer eigenen Homepage: www.zukunft-entwickeln.de können Sie unter der Rubrik „Aktuelles“ die vollständige Studie zur Kinderarbeit sowie die entsprechende Presseerklärung im Original in deutscher Sprache lesen.

Es bedankt sich ganz herzlich für Ihre Unterstützung und für das Interesse an diesem Rundbrief

Ihr Team von      Zukunft entwickeln... e.V.


Kinder beim Unterricht in unserem Schulprojekt

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